Impuls zum 17. Mai 2020
Von Stefanie Wahl, pax christi-Vorsitzende
„Es gibt nichts Gutes. Außer: Man tut es
„Es gibt nichts Gutes. Außer: Man tut es!“ – Immer, wenn ich dieses Zitat von Erich Kästner höre, sehe ich den erhobenen Zeigefinger vor mir, mache mich etwas kleiner und denke: „Ja, ich weiß. Machen, einfach machen!“. In einer Zeit in der sich die Welt so schnell verändert wie im Moment, wo morgen schon nicht mehr das Wort von gestern gilt, da verschwimmen Gewissheiten und es droht auch der moralische Kompass verloren zu ge-hen. War Solidarität und Nachbarschaftshilfe das erste Gebot der Stunde in dieser Corona-Pandemie, so scheint derzeit das gesellschaftliche Miteinander zu einem gesellschaftlichen Gegeneinander zu werden. Es wird konkurriert um Wahrheiten, das Richtige, das Gute. Der Applaus für die Helden des Alltags ist verstummt. Die gute Tat, Solidarität, der Dienst an der Nächsten bleiben auf der Strecke und geraten in den Hintergrund.
Liedvorschlag
Meine engen Grenzen (GL 437)
Alternativ
Meine engen Grenzen – Herr, erbarme dich.
Meine ganze Ohnmacht – Christus, erbarme dich.
Mein verlorenes Zutraun – Herr, erbarme dich.
Aus dem Evangelium nach Johannes
Joh 14, 15–21
Wenn ihr mich liebt, werdet ihr meine Gebote halten.
Und ich werde den Vater bitten und er wird euch einen anderen Beistand geben, der für immer bei euch bleiben soll, den Geist der Wahrheit, den die Welt nicht empfangen kann, weil sie ihn nicht sieht und nicht kennt.
Ihr aber kennt ihn, weil er bei euch bleibt und in euch sein wird.
Ich werde euch nicht als Waisen zurücklassen, ich komme zu euch.
Nur noch kurze Zeit und die Welt sieht mich nicht mehr; ihr aber seht mich, weil ich lebe und auch ihr leben werdet.
An jenem Tag werdet ihr erkennen: Ich bin in meinem Vater, ihr seid in mir und ich bin in euch.
Wer meine Gebote hat und sie hält, der ist es, der mich liebt; wer mich aber liebt, wird von meinem Vater geliebt werden und auch ich werde ihn lieben und mich ihm offenbaren.
Gedanken zum Text
Und wieder höre ich den erhobenen Zeigefinger: „Wenn ihr mich liebt, werdet ihr meine Gebote halten.“ In einer Zeit der Kontaktverbote, Ausgangssperren, einer Pflicht einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen, fällt es schwer, sich auf noch mehr Gebote einzulassen. Beim genaueren hinhören geht es bei diesen Worten aus dem Johannesevangelium aber nicht nur um Gebote. Die Worte rufen uns in Erinnerung, dass die Liebe zu einer Person und auch zu Gott nicht mit Worten erwiesen wird, sondern mit Taten. Ich höre darin kein Gebot, sondern die Ermutigung zur guten Tat, zum Dienst an der Nächsten, zum Einsatz für Gerechtigkeit und Frieden. In einer Zeit, in der wir viel mit uns selbst beschäftigt sind, wir uns auf Leben und Arbeiten mit neuen Regeln einstellen müs-sen, in der wir Existenzängste haben und in großer Unsicherheit in die Zukunft gehen, tut diese Ermutigung gut und erinnert mich an die Worte von Erich Kästner.
Die Corona-Pandemie fordert uns derzeit vielfach heraus. Auch unser Engagement für den Frieden und Gerechtigkeit, die Solidaritätsarbeit, die Zusammenarbeit über Grenzen hinweg, die Zusammenarbeit in unseren pax christi Gruppen ist eingeschränkt und verändert. Um weiter zu machen, nach neuen Möglichkeiten der Zusammenarbeit und der politischen Arbeit zu suchen, braucht es besondere Anstrengungen. Wir müssen uns auf Neues einlassen, uns mit veränderten gesellschaftlichen und politischen Bedingungen auseinandersetzen. Ich bin mir sicher, dass es in unserer Bewegung nicht an Mut und Tatkraft fehlt. Dennoch kann die aktuelle Situation lähmend wirken.
Neben den Worten des Evangeliums ermutigt mich in dieser Zeit auch der Blick auf das Engagement anderer. Beispielsweise das Engagement der zivilen Seenotretter*innen im Mittelmeer. Vor allem junge Menschen enga-gieren sich in der zivilen Seenotrettung und machen das, was Kästner uns rät. Sie handeln dort, wo es die EU und ihre Mitgliedstaaten nicht tun. Sie leisten dort Hilfe, wo sie gebraucht wird. Sie haben sich entschieden, es nicht beim Kritisieren der Fehlenden staatlichen Seenotrettung zu belassen und damit den Tod von Menschen im Mittelmeer in Kauf zu nehmen. Sie haben sich entschieden selbst zu retten, die Hilfe zu sein, die gebraucht wird.
Vergleichbar habe ich die Motivation bei den Engagierten auf der Insel Lesbos erleben dürfen. Sie versuchen die Hilfe und Unterstützung für die Geflüchteten im Camp Moria zu sein, die diesen eigentlich von staatlicher Seite zusteht. Sie füllen diese Lücken und versuchen gemeinsam mit den Geflüchteten die Situation konkret zu verbessern. Gleichzeitig sind die Geflüchteten und Engagierten großem gesellschaftlichen und politischen Druck ausgesetzt, werden kriminalisiert und müssen zum Teil um ihr Leben fürchten. Dieser Druck lähmt sie nicht, sondern sie setzen ihr Engagement fort.
Es liegt also an uns, uns nicht lähmen zu lassen und unser Engagement fortzusetzen, unser Glauben zu leben und den Worten, Taten folgen zu lassen. Daran erinnert uns neben Kästner auch Mahatma Ghandi: „Sei selbst die Veränderung, die du dir für diese Welt wünschst“.
Fürbittgebet
Guter Gott,
wir danken dir für deine Botschaft. Aus ihr schöpfen wir Hoffnung und Motivation für unser Tun.
Schenke uns stets Mut und Tatkraft für unser Engagement für Frieden, Gerechtigkeit und die Bewahrung der Schöpfung.
Schenke uns Menschen, mit denen wir diesen Weg gemeinsam gehen können, die uns begleiten und unterstüt-zen.
Hilf uns zu erkennen, wo unserer Friedensarbeit besonders gebraucht wird.
Hilf uns dabei, die Veränderung zu sein, die wir uns für die Welt wünschen.
Amen.
Vater Unser
Liedvorschläge
Ein Funke, aus Stein geschlagen
Wo Menschen sich vergessen